Ein Amulett in zwei Teile zerfallen, das andere unerreichbar auf der Erde.
Und die Passage ... zerstört? „Nur“ für immer verschlossen?


Hope ist nicht in der Lage, festzustellen, ob ihr Bruder Peter und Gina den Durchtritt überlebt haben, der Rückweg ist versperrt. Zu alldem müssen sie, ihr Großvater Nubrin und Nim-To erkennen, dass sie nicht alle Hinweise entdeckt haben, die Hopes Mutter Ela-Ina hinterlassen hat.

Die Ereignisse überschlagen sich erneut in mehrfacher Hinsicht, aber auch diesmal
ist nicht die Magie der Passage alleine dafür verantwortlich: Ihr alter Widersacher Targwin und dessen Helfershelfer setzen alles daran, doch noch den Sieg davonzutragen.
.

Wird diese magische Welt überdauern? Welches Schicksal erwartet Hope?
„Aroda - Das Amulett“ setzt die Geschichte des ersten Bandes

„Aroda - Die Pforte“ fort.

 

***

 

ISBN 978-3-7526-2344-4

700 Seiten, Taschenbuch;

Format: 12 x 19cm

Auch als E-Book erhältlich

 

 

LESEPROBE:

 

Kapitel 1

Sonntag, 4. Eisig
Aroda

  Der Wind hatte zusehends nachgelassen und auf dem kleinen Zeltplatz an der windabgewandten Seite des Berges war er kaum mehr zu spüren. Es hatte jedoch zu schneien begonnen und ich legte den Kopf in den Nacken, um nach oben zu schauen. Trotz der einsetzenden Dämmerung waren die Schneekristalle auch für mich noch zu erkennen. Jede, die das Pech hatte, auf meinem Gesicht zu landen, starb einen kleinen Wärmetod und hinterließ eine winzige Schmelzwasserträne. Ich wischte sie nicht weg, aber tief in mir bedauerte ich, dass sie nur ein kurzes Leben gehabt hatten. Auch wenn sie immerhin auf ihrem Weg von oben Aroda hatten sehen dürfen.
  Seine Arme legten sich behutsam von hinten um meine Schultern und ich lehnte den Kopf an.
  „Sie sind perfekt!“, flüsterte ich tonlos.
  „Wer?“
  „Schneeflocken! Sie sind perfekt, ist dir das je aufgefallen? So viel Schönheit, die da herabrieselt! Jede von ihnen ist einzigartig und jede für sich genommen ist schon perfekt. Doch gemeinsam schaffen sie etwas, das fast noch schöner ist als eine alleine, sie vollenden ein Kunstwerk aus lauter perfekten Einzelteilen. Das ist wunderschön! Und sie bringen Stille mit, denn sie sind absolut still! Sie machen weder ein Geräusch, wenn sie fallen, noch, wenn sie irgendwo landen. Aber wenn sie ein Geräusch machen würden, wäre es sicher ebenfalls wunderschön – wie ein leises, sanftes Klingen. Doch sie sind still und sie dämpfen jedes Geräusch.“
Ich drehte den Kopf um eine Winzigkeit und betrachtete ein paar kahle Äste schräg über mir. Neben all den vielen Nadelbäumen ein Laubbaum. Seine Äste waren von einer dünnen Eis- und Zuckerschicht überzogen und bewegten sich nur ganz leise.
  „Das ist wunderschön!“, flüsterte ich.
  „Das ist es, ja“, flüsterte er als Antwort.
  Es verging eine ganze Weile und irgendwann – ich konnte die Schneeflocken schon nicht mehr erkennen, fühlte sie aber immer noch auf meinem Gesicht landen und spürte, wie sie starben und ihre äußere Form dabei hergaben – unterbrach er die Stille.
  „Hope, ich mache mir Sorgen um dich. Ich habe Angst. Du hast seit gestern kaum ein Wort geredet, weder mit mir noch mit sonst wem. Ich weiß nicht, was ich tun soll, damit es dir besser geht! Ich sehe dir zu, wie du … schweigst!“
  „Ist schon okay“, schloss ich die Augen, ohne jedoch das immer wiederkehrende Bild der explosionsartig auftauchenden Passage und das Bild des in zwei Teile zerfallenen Amuletts ausblenden zu können. Das Letzte, was ich gestern Abend beim Einschlafen gesehen hatte und das Erste, das mir heute Morgen vor Augen stand. Das, was ich ständig sah, wenn ich die Augen schloss und meine Aufmerksamkeit nicht auf irgendetwas anderes richtete.
  Vier Personen waren in dieses Licht gezogen worden, darunter mein Bruder. Und niemand wusste, ob sie angekommen waren. Nein, niemand wusste, ob sie überhaupt noch ‚waren‘ oder ob wir zu spät etwas unternommen hatten und eine Nachttrostexplosion sie alle …
  „Nein, es ist nicht ‚okay‘! Hope, rede mit mir, sag mir, was in dir vorgeht!“, drehte er mich zu sich herum.
  „Das … kann ich nicht“, lächelte ich und fühlte gleichzeitig, dass mein Lächeln nicht einmal beide Mundwinkel gleichzeitig zu heben imstande war. „Weil ich … Da ist im Moment nichts. Da ist … nichts! Ich kann nicht denken und schon gar nicht nachdenken!“
  Er stöhnte, schloss für einen Moment die Augen und zog mich dann wieder an sich.
  „Also gut. Wie kann ich dir helfen? Wir werden einen Weg finden, aber wie kann ich dir bis dahin helfen?“
  „Ist schon gut“, flüsterte ich zum hundertsten Mal und längst automatisch.
  Er schwieg. Lange. Es war längst finster und das Glas mit Nachttrost hinter uns war viel zu klein und steckte zu tief im Schnee, um genügend Licht für die ganze Lichtung abzugeben.
  „Möchtest du zurück oder nach Tegoz in Serafinas Gasthaus?“, fragte er irgendwann und ich machte mich los.
  „Nein. Wenn du sagst, dass wir hier oben auch heute Nacht nicht erfrieren werden, dann möchte ich hierbleiben.“
  „Wir werden nicht erfrieren, das hier ist ein Winterzelt. Aber du solltest etwas essen. Lass uns ins Zelt gehen.“
  „Noch eine Minute.“
  Ich drehte den Kopf und sah hinunter zur Burg. Die Wehrgänge waren wie jeden Abend in regelmäßigen Abständen von Nachttrost erleuchtet und im Inneren des Hofes glommen ebenfalls überall große Gläser. Es sah märchenhaft aus, aber bei dem Gedanken, was diese Substanz anzurichten imstande war …
  Ich schauderte.
  „Die Minute ist um. Wenn du jetzt nicht mitkommst …“
  „Ist schon gut“, nickte ich, mir der Unglaubwürdigkeit dieser längst abgedroschenen Phrase durchaus bewusst. Der Anblick der verschneiten, beleuchteten Burg hatte sowieso an Schönheit verloren und ich bückte mich freiwillig durch den Eingang, den Nim sofort sorgfältig hinter uns verschloss.
  Er hatte gestern einen großen Rucksack mit Vorräten und weitere Decken hier heraufgeschleppt als ich nach dem Verschwinden der vier Wechsler irgendwann schweigend aufgestanden und hinausgegangen war, meine Jacke erst im Hof überziehend. Er hatte nicht gefragt, war mir nur um die Burg herum und dann den Hang hinauf zu diesem Platz gefolgt. Und nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass ich keine Selbstmordabsichten hegte, hatte er sich erneut aufgemacht und tauchte etwa eine halbe Stunde später mit allem Nötigen wieder auf. Auch jetzt packte er wieder zahlreiche Nahrungsmittel aus, aber ich nahm kaum Notiz davon. Wenn er mir nicht eines der kleinen Brote in die Hand gedrückt und aus einer Isolierflasche allenfalls noch warmen Tee eingegossen hätte, hätte ich nichts gegessen. Weil ich keinen Hunger verspürte.
  Und genauso willenlos ließ ich es wenig später über mich ergehen, dass er mir seine Jacke als Kopfkissen zur Verfügung stellte, mich auf das breite, gemeinsame Lager zog, auf und unter mehrere Schichten isolierender Decken packte und dann in seine Arme nahm. Warm. Geborgen.
  Ich holte tief Luft. Seit gestern war dies der einzige Platz, an dem ich ohne Beklemmung atmen konnte.
  „Wir werden morgen zur Burg hinuntergehen. Ich möchte, dass sich ein Arzt dich ansieht, Hope“, murmelte er an meiner Schläfe.
  „Mir geht es gut. Aber wenn du meinst …“
  „Es geht dir nicht gut! Allmählich verstehe ich, was dein Bruder meinte, als er sagte, dass du nach dem Tod deiner Mutter lange Zeit nicht …“
  „Nicht jetzt, Nim! Ich will nicht darüber reden!“
  „Das ist es ja! Ich will dich zu nichts drängen, aber ich kann auch nicht tatenlos dabei zusehen, wie du in dir selbst verschwindest und vor der Realität davonläufst! Ich weiß, dass das hier genau das ist, was du nicht wolltest, aber wenn ich dich da nicht wieder herausbekomme … Wenn wir eine Lösung finden, wenn wir für dich einen Weg zurück finden wollen, dann musst du da herauskommen!“
  Ich atmete leise aus und tastete vorsichtig nach den beiden Einzelteilen unter meiner Jacke. Wertlose, separierte Anhänger.
  „Die Realität … Die Pforte hat sie nicht zurückgebracht, weder Jurims Freund Gabael noch diese Sidena. Und auch nicht Jurim, Zibuk oder Gina. Was wir da sahen, war explosionsartig, Nim; niemand weiß also, ob sie überhaupt ankamen und wenn ja, ob an der richtigen Stelle und in der richtigen Zeit. Ob überhaupt, können wir nicht herausfinden, denn mein Amulett ist zerstört und wenn ja, ist Lili-An für die Menschen drüben spurlos verschwunden und Peter könnte verdächtigt werden, sie … was weiß ich mit ihr gemacht zu haben. Ich bin verschwunden und niemand außer Peter weiß, wo ich bin.
  Ich laufe nicht vor der Realität davon und sehe den Tatsachen ins Auge, aber im Moment ist das alles zu viel auf einmal und gibt es keinen Weg da heraus“, zählte ich auf und legte meine Hand wieder auf seine Brust. „Das hier ist das Einzige, das mir geblieben ist. Mal wieder zehre ich von dir und halte mich an dir fest. Ich kann nicht … weiter darüber nachdenken oder über die Folgen, denn ich hänge im Moment an einem einzigen, dünnen Faden. Wenn ich nicht abreißen und wegsegeln will, dann muss ich warten.“
  „Du wartest?“, fragte er.
  „Ja.“
  „Worauf?“
  „Ich weiß es nicht. Ich muss warten. Auf mich. Oder auf … irgendwas.“
  „Auf dich?“
  „Ich muss zu mir selbst aufschließen, verstehst du? Ich muss warten, bis ich wieder nachdenken kann, denn in mir ist nur ein einziger Gedanke: der an gestern. Und was der mit sich bringt, ist zu entsetzlich, als dass ich schon darüber nachdenken könnte. Also warte ich, bis ich es wieder kann.“
  Er holte tief Luft.
  „Also schön, dann warten wir. Ich werde warten, egal wie lange es dauert, Hope. Und ich werde dich halten, damit du dich an mir festhalten kannst, bis du loslassen willst. Ist das für dich in Ordnung?“
  Ich drehte den Kopf, um ihn im Liegen ansehen zu können.
  „Das ist alles, was ich brauche! Nim, ich will dich nicht loslassen, das wollte ich nie, aber ich hätte diese Entscheidung jetzt nicht …“
  „Ich weiß! Und es ist in Ordnung, wirklich! Ich wusste es von Anfang an und hätte nie verlangt …“
  „Nicht jetzt!“, unterbrach ich ihn und hob den Kopf.
  Seine Augen mit den großen Pupillen zeigten noch immer seine Sorge und etwas davon sickerte in mein Bewusstsein durch.
  „Mach dir nicht so viele Gedanken um mich. Ich werde schon damit zurechtkommen. Aber ich brauche Zeit. Und das hier ist meine Art, Wahrheiten langsam an mich heranzulassen und daran zu arbeiten, Stück für Stück. Ich weiß, dass auch du Angst hast. Um Gina. Und ich weiß, wie egoistisch ich mal wieder bin. Ich weiß, dass Gina jetzt sagen würde, dass meine Art eine feige Art ist, aber so schaffe ich es ohne größere Blessuren … wenn die Wahrheiten mich nach und nach einholen.“
  „Selbstschutz. Ich verstehe das sehr gut. Ich liebe dich, weißt du das?“
  „Ich weiß. Und das macht alles nur noch schwerer.“
  „Wieso? Warum macht es dir alles nur noch …“
  „Ich hab mich in dich verliebt. Aber ich will dir nicht wehtun, also wie soll ich …“
  „Nicht! Hope, ich möchte, dass du etwas für mich tust, ja?“
  „Was?“
  „Warte auch damit! Stell das ganz ans Ende aller Überlegungen! Glaub mir, du tust mir nicht weh, indem du das hier mit mir teilst. Wir auf Aroda sind imstande, jeden solchen Augenblick als Geschenk zu nehmen. Wir denken nicht darüber nach, dass oder ob es irgendwann vorüber sein könnte. Das ist nicht unsere Art, nicht unser Wesen. Und wenn ich noch offener sein darf …“
  „Ich kann nichts weniger brauchen als beschönigende Worte! Lass eure übliche Aroda-Männer-Zurückhaltung endlich weg, sag mir immer die Wahrheit und lass mich dann auf meine Weise damit umgehen!“, murmelte ich. „Das würde es mir so viel leichter machen.“
  „Ich werde es versuchen.“
  Ich sah ihm an, wie schwer es ihm dennoch fiel.
  „Versuchs theoretisch. Allgemein“, bot ich an und er nickte.
  „Jede Art von Beziehung zwischen Mann und Frau hat hier auf Aroda eine sehr eigene und persönliche Form und Gestaltung. Wenn eine Frau wählt, heißt das nicht, dass sie es für den Rest ihres Lebens dabei bewenden lässt. Es kann durchaus sein, dass sie sich nur mit einem einzigen Mann teilt und mit ihm zusammenbleibt bis zuletzt. Es kann sein, dass sie sich irgendwann anders entscheidet, es kann sein, dass sie sich nur mit einem Mann teilt, aber andere Aspekte ihres Lebens lieber mit anderen Männern teilt. Jemanden zu lieben und sich körperlich und seelisch mit ihm zu teilen oder mit Freunden alles zum Beispiel um seine Berufung herum zu teilen, können zwei völlig verschiedene Dinge sein. Eifersucht hat darin keinen Platz, denn wir betrachten dies sehr separiert – und dies gilt umgekehrt ebenso. Es ist kein Betrug, es sei denn, man akzeptiert eine Wahl und macht gleichzeitig einer anderen Frau deutlich, dass man viel lieber von ihr gewählt werden möchte.“
  „So wie Targwin.“
  „So wie Targwin! Und er war deutlicher, als ich je gehört habe! Ich könnte also beispielsweise in Gina niemals eine Frau sehen, mit der ich das hier würde teilen wollen. Liebe und Sympathie und gemeinsame Interessen, Talente und Ziele können sehr verschiedene Dinge sein …
  Was du mir gibst, gibst du in diesem Moment nur mir, niemandem sonst. Es ist ein Geschenk. Es ist Liebe und es ist die dir derzeit größtmögliche Nähe und es ist das Teilen deiner Gedanken und Sorgen. Ich halte dich. Und selbst wenn du irgendwann in der Lage sein würdest, noch ein wenig weiter zu gehen, würdest du mich nicht damit verletzen, wenn es irgendwann … enden würde, so oder so. Denn es schmälert nicht das, was wir hatten, es war etwas für dich und mich. Etwas, das du nur mir gegeben hast, weil du es in diesem Moment nur mir geben wolltest. Und das macht es unauslöschlich und unvergesslich.
  Ich wäre traurig, aber ich wäre noch viel mehr als das glücklich, es erlebt zu haben, weil es in mir bleibt, weil es Teil von mir wird. Stell diese Dinge und deine Angst, mir wehtun zu können, ganz, ganz hintenan!“
  Ich hatte ihm atemlos zugehört. „Das ist … schwer nachzuvollziehen! Klar gibt es bei uns auch Freundschaft zwischen Männern und Frauen, aber offenbar kann das bei euch auch noch andere … Dimensionen annehmen?“
  „Kann es.“
  Ich nagte an meiner Unterlippe.
  „Welche? Wie … weit kann das gehen?“
  „Wie weit? So weit, dass es nicht den anderen verletzt, weil es ihn herabmindert. Kein Betrug.“
  Er sah mir offenbar an, dass mir diese Antwort nicht genügte, also holte er tief Luft und wurde etwas deutlicher.
  „Kein Sex, Hope. Niemand hätte etwas gegen eine Umarmung, niemand würde Anstoß daran nehmen, wenn man sich in einer Nacht wie dieser gemeinsam ein Zelt teilt und diese Nähe zu dem anderen sogar genießt. Als angenehm empfindet. Als erfreulich.“
  „Verstehe schon.“
  „Ich hätte meine Ressourcen mit Gina geteilt, wenn es nötig gewesen wäre, und ich habe sie umarmt. Zum Abschied. Erinnerst du dich? Sie ist meine Nachbarin, Verbündete und beste Freundin – nach dir! Aber ich könnte niemals mit ihr … schlafen. In deiner Bedeutung.“
  „Oh … Alles andere also außer Sex? Und dem, was wir schon hatten? Ich meine … Berühren? Küsse?“
  „Richtig. Das würde ich nur mit dir wollen.“
  „Nur mit mir …“
  „Ja.“
  Ich holte tief Luft und hielt seinen Blick lange fest.
  „Ihr seid nicht so wahnsinnig anders als wir. Aber irgendwie doch total anders! Wir würden eifersüchtig werden, wenn wir hören, dass unser Partner mit einer anderen Frau oder einem anderen Mann … so viel Nähe hat. Ich verstehe das jetzt allerdings allmählich ein bisschen besser und könnte es sicher lernen.“
  Wenn Gina irgendwann wieder zurückkommen würde!
  Ich schloss die Augen für einen Moment, um diesen Gedanken wieder loszuwerden, dann sah ich ihn wieder an.
  „Diese Decken toppen alles, was ich bisher an Iso-Decken kenne. Mir ist total warm.“
  „Das ist auch gut so! Ich habe restlos alles, was ich im Schrank im Treppenhaus an Decken fand, eingepackt und hier raufgeschleppt. Immerhin weiß ich, dass du nicht von Aroda bist. Tamara wird verwundert sein, sich aber denken können, dass …“
  „Wird es heute Nacht noch kälter werden?“
  „Schon, ja, aber das hier wird mehr als genügen, vertrau mir.“
  „Sturm?“
  „Nein. Es ist noch immer zu früh für die Eisigstürme und wir sind hier ohnehin auf der windabgewandten Seite, die Böen erreichen hier selten die Höchstgeschwin…“
  Ich richtete mich auf, zog den Reißverschluss der Jacke auf und schälte mich etwas mühsam heraus. Die Anhänger klimperten und ich zog sie über den Kopf, um sie achtlos auf die Jacke zu werfen. Und nach einem weiteren Blick auf Nims fragende Miene zog ich mir den Pullover über den Kopf, fröstelte kurz in der kalten Luft und kroch zurück zu ihm unter die vielen Decken.
  „Werde ich so erfrieren?“
  „Hier drin und wenn wir uns weiterhin gegenseitig wärmen? Nein. Ich würde dich ohnehin rechtzeitig an Pullover und Jacke erinnern!“, flüsterte er und legte vorsichtig seine Hand an meine Seite.
  „Würdest du so erfrieren?“
  „Mit dir zusammen? Unmöglich!“, kam die leise Antwort.
  Ich zog an seinem Pullover und zerrte ihn über seinen Kopf – und erschauerte wieder, als er ebenfalls zurück unter die Decken rutschte.
  „Mir ist warm“, flüsterte ich. „Sehr warm.“
  „Hope, das hier ist atemberaubend und du bist wunderschön! Aber das hier ist nicht das, was du jetzt willst!“
  „Ich weiß im Moment nicht genau, was ich will, doch eines weiß ich: Ich will jetzt nur bei dir sein. Ein bisschen mehr als beim letzten Mal. Ich muss spüren, dass du da bist, ganz nah bei mir, aber wenn ich es dir hiermit nicht zu schwer mache, dann …“
  „Komm her!“, zog er mich näher zu sich heran. „Es ist nicht leicht, aber es ist auch wunderschön und erfüllend, dich so zu spüren!“
  Ich seufzte erleichtert und holte hörbar Atem, als er seine Hand über meinen Nacken und Hals und dann über mein Brustbein herabgleiten ließ. Er machte keine Anstalten, meinen BH zu öffnen.
  „Nicht mehr! Ich gehe nicht weiter! Aber das hier wird unvergesslich sein für mich!“, hauchte er wie zur Bestätigung und zog mich an seine Brust.
  Und mindestens eine Stunde voller Wärme, Nähe, Streicheln und abwechselnd erregender und beruhigender Zärtlichkeiten später konnte ich meine Augen zum ersten Mal schließen, ohne die grelle Lichtexplosion zu sehen.



Montag, 5. Eisig
Aroda

  Er war schneller auf, als ich aus dem Schlaf auftauchen konnte, und er war schneller angezogen und aus dem Zelt verschwunden, als ich mich vollends aufgerichtet hatte. Kein Wunder, denn ich sah mal wieder kaum etwas. Und hörte erst jetzt etwas!
  „Guten Morgen. Es tut mir aufrichtig leid, euch zu stören, Nim, aber Alfrin lässt durch mich fragen, ob ihr bereit wäret, ihn zu sehen. Und … ich würde gerne wissen, wie es Hope geht. Wenn sie mich jedoch nicht sehen will, kann ich das verstehen.“
Nubrin! Er war alleine den steilen, verschneiten Hang heraufgeklettert?
  Und das Nachttrost war entladen! Ich tastete blind nach meinem Pullover und zerrte ihn hastig über, dann erst zog ich auch die beiden Amulette wieder über den Kopf und stopfte sie in den Halsausschnitt. Sie fühlten sich eiskalt an. Unter den vielen Decken und auf den dicken Filzunterlagen hatten wir von den gesunkenen Temperaturen nichts mitbekommen, aber ich stellte mir vor, dass mein Atem selbst hier drin nach dieser langen, kalten Nacht kleine Dampfwölkchen in der Luft erzeugte.
  „Du störst nicht, guten Morgen. Du bist den Weg alleine hier heraufgekommen? Das war leichtsinnig!“
  „Ja, bin ich. Und nein, war es nicht. Ich bin hierfür durchaus noch gut genug zu Fuß und wollte nicht, dass irgendjemand sonst von diesem Platz erfährt. Du hast übrigens gut daran getan, das Nachttrost abzuschirmen, es war von der Burg aus nicht zu sehen. Nicht, wenn man nicht angestrengt danach suchte jedenfalls.“
  Gott, er hatte ganz sicher angestrengt und besorgt danach gesucht! Ich fuhr mit den Fingern ein paarmal über meine Haare, dann schnappte ich meine Jacke, um aus dem Zelt zu stürzen – und mit hochrotem Gesicht und völlig überhastet fast hinzufallen. Es hatte sicher fünf Zentimeter Neuschnee gegeben und ich sah erst wieder etwas, nachdem meine Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten.
  Okay, keine Dampfwölkchen im Zelt, denn gegen hier draußen war dessen vom Schnee zusätzlich isoliertes Inneres ein warmer Ofen!
  „Guten Morgen. Mir geht es gut“, murmelte ich.
  „Das freut mich zu hören“, atmete er erleichtert auf, wenn auch mit ein wenig skeptisch gerunzelter Stirn. „Ich bin froh, dass du Nim hast, Hope!“
  „Ich auch“, wurde ich noch roter. „Aber es ist nicht … Es war nicht …“
  „Du bist nicht wütend, dass ich heraufgekommen bin?“, überging er meine Verlegenheit vollkommen gelassen.
  „Nein. Warum sollte ich?“, zog ich endlich die Jacke über und fühlte erleichtert ihre Wärme.
  „Weil ich mitschuldig bin an deiner Lage und das nicht verkenne.“
  „Du hättest nichts ändern können“, versetzte ich leise und wechselte schnell das Thema. „Alfrin will uns sehen?“,
  „Ja. Er bedauert, was passiert ist und möchte, dass ihr wisst, was seither geschah und als Nächstes geplant ist. Zumal es da möglicherweise etwas gibt, das … ein Hoffnungsschimmer sein könnte. Könnte!“, betonte er mit einigem Nachdruck.
  Ich hielt inne, meine Mütze noch in den Händen. „Hoffnungsschimmer?“
  Er nickte, wenn auch besorgt. „Ja. Aber ich möchte dich bitten, das nur unter allergrößtem Vorbehalt …“
  „Was ist es?“, stieß ich hervor und hielt den Atem an.

...

 

Ende der Leseprobe

 

Band 5, der Abschluss der Aroda-Reihe, führt noch weiter zurück, diesmal bis in eine altertümliche Zeit. Marahn, Inanas Großvater, hat den Weg nach Aroda geöffnet und den Magiebegabten aller Völker der Erde so die Möglichkeit geschaffen, zu überleben und ihr kostbares Wissen und Können zu bewahren. Was er nicht vermochte, ist, den Hass auf die Menschen und die Rachegefühle auszusperren. Ausgerechnet seine Enkelin Inana muss dies schmerzhaft lernen. Arodas Grundsteine bröckeln, kaum dass sie gelegt sind?!

 

Im Buchregal (siehe oben) ist mehr dazu zu finden. Ein spannender Ausflug in eine magische, erneut historische Welt erwartet euch!

ISBN 978-3-7543-4981-6

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